An Frau Vizepräsidentin Dr. Margit Weber
An Frau Dekanin Prof. Dr. Irene Götz
Gesendet per Email
17. November 2025
Sehr geehrte Frau Vizepräsidentin Dr. Weber, sehr geehrte Frau Dekanin Prof. Dr. Götz, wir wenden uns mit großer Sorge an Sie hinsichtlich der im Raum stehenden Absage der Veranstaltung „The Targeting of the Palestinian Academia“ an der Ludwigs-MaximilianUniversität München.
Wir sind das Gremium für Wissenschaftsfreiheit der Deutschen Arbeitsgemeinschaft Vorderer Orient (DAVO). Das Gremium hat den Auftrag, die akademische Freiheit zu Forschung, Studium und Lehre zum gegenwartsbezogenen Nahen und Mittleren Osten
sowie zu Nordafrika im deutschsprachigen Raum und darüber hinaus, einschließlich der Einrichtungen im Nahen Osten, zu beobachten und zu verteidigen.
Die für den 28. November 2025 geplante Veranstaltung ist eindeutig von der Wissenschaftsfreiheit gedeckt. Grundlage hierfür sind Artikel 5 Absatz 3 des Grundgesetzes sowie die UNESCO-Empfehlung zum Status des Hochschullehrpersonals von 1997, die akademische Freiheit als „das Recht, ohne Einschränkung durch eine vorgeschriebene Doktrin frei zu lehren und zu diskutieren, frei zu forschen und die Ergebnisse zu verbreiten und zu veröffentlichen, frei seine Meinung über die Institution oder das System zu äußern“ definiert.
Es gibt keinerlei Anlass anzunehmen, dass die geplante Veranstaltung nicht den etablierten Standards akademischer Auseinandersetzung entsprechen wird. Vielmehr widmet sie sich einem zeitgeschichtlichen Thema und bietet den TeilnehmerInnen die Möglichkeit, palästinensische WissenschaftlerInnen, darunter auch KollegInnen aus Gaza, und ihre wissenschaftliche Expertise zu hören.
Universitäten haben den Auftrag, kontroverse, sensible und politisch aufgeladene Themen wissenschaftlich zu diskutieren. Wissenschaftliche Debatten über Konflikte oder Menschenrechtslagen müssen gerade dann stattfinden, wenn gesellschaftliche
Spannungen hoch sind. Wir beobachten mit wachsender Besorgnis Versuche politischer und staatlicher Akteure, wissenschaftliche Debatten durch vorab definierte Begriffe und Bewertungen zu beeinflussen, Forschende zu diffamieren und auf dieser Basis zu kriminalisieren.
Das Verhindern einzelner Veranstaltungen erzeugt ein Klima der Selbstzensur und widerspricht dem Prinzip der offenen Hochschule. Eine Absage würde einen Präzedenzfall schaffen, bei dem politischer Druck oder öffentliche Stimmungen bestimmen, welche wissenschaftlichen Perspektiven zugelassen sind. Dies gefährdet nicht nur diese Veranstaltung, sondern auch zukünftige Forschung und Lehre. Studierende haben ein Recht darauf, vielfältige Perspektiven im Studium kennen zu lernen. Eine Absage nimmt ihnen Zugang zu Wissen und verhindert kritische Lernerfahrungen.
Wir bitten Sie daher höflichst darum:
- für die Durchführung der genannten Lehrveranstaltung einzutreten und damit die Freiheit der akademischen Lehre und Forschung zu schützen;
- Störungen der Arbeitsabläufe des Wissenschaftsbetriebs entschieden entgegenzutreten;
- der politisch motivierten Instrumentalisierung von Antisemitismusvorwürfen klar und unmissverständlich entgegenzutreten.
Wir danken Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit und erwarten Ihre Rückmeldung mit großem Interesse. Gerne stehen wir auch für Rückfragen und Austausch zur Verfügung. Gemäß unserer üblichen Praxis werden wir dieses Schreiben auf unserer Homepage veröffentlichen.
Mit freundlichen Grüßen
Dr. Sevil Çakır
Sprecherin der DAVO Gremiums für Wissenschaftsfreiheit
Dr. Nils Riecken
Sprecher des DAVO Gremiums für Wissenschaftsfreiheit
